Arbeitsgruppe Kubik

Lehre - Supramolekulare Chemie - Einleitung

Definition und Überblick

Die Supramolekulare Chemie ist ein Teilgebiet der Chemie, das sich mit dem gezielten Aufbau komplexerer Strukturen aus häufig wenigstens zwei identischen oder verschiedenen molekularen Komponenten durch zumeist nicht-kovalente Wechselwirkungen beschäftigt. J.-M. Lehn charakterisiert das Gebiet folgendermaßen:

Definition der Supramolekularen Chemie

...beyond molecular chemistry based on the covalent bond there lies the field of supramolecular chemistry whose goal is to gain control over the intermolecular bond. It is concerned with the next step in increasing complexity beyond the molecule towards the supermolecule and organized molecular systems, held together by non-covalent interactions...

Lehn, J.-M. Supramolecular Chemistry - Concepts and Perspectives, VCH, Weinheim, 1995.

Supramolekulare Chemie ist die Chemie der molekularen Erkennung

Beispiele für molekulare Erkennung in der Natur

Valinomycin ist ein Cyclodekadepsipeptid und zählt zu den Makrolid-Antibiotika. Es wird von mehreren Arten von Streptomyceten (z. B. Streptomyces fulvissimus) produziert. Es handelt sich um ein Ionophor, der selektiv Kaliumionen durch Zellmembranen transportiert. Dabei wird K+ durch Carbonylgruppen des Valinomycins, welches hierfür eine definierte Konformation annimmt, koordiniert. Durch den Kaliumtransport bricht das Membranpotential zusammen und die Zelle stirbt ab.

Valinomycin

Die Komplexbildungskonstante log Ka für den Kalium- Valinomycin-Komplex in Methanol bei 25 °C beträgt 4,7, während sie für den Natrium-Valinomycin-Komplex lediglich bei 0,9 liegt.

Vancomycin ist ein Antibiotikum aus der Wirkstoffgruppe der Glycopeptid-Antibiotika. Vancomycin wurde bereits in den 1950er-Jahren aus Kulturen von Amycolatopsis orientalis gewonnen, aber erst seit 1980 als wirksame Alternative gegen multiresistente Staphylokokken eingesetzt.

Vancomycin

Vancomycin hemmt den Aufbau der Bakterien-Zellwand, indem es mit den endständigen L-Lysin-D-Alanin-D-Alanin-Gruppen des bakteriellen Zellwandbestandteils Murein einen Komplex bildet. Damit blockiert es die Bausteine der Quervernetzung der Zellwand grampositiver Bakterien durch eine Brücke aus fünf Glycinresten. Die bakterielle Zellwand kann ohne die Quervernetzung dem osmotischen Druck nicht standhalten, und das Bakterium platzt.

Die Pioniere der Supramolekularen Chemie

Charles John Pedersen (* 3. Oktober 1904 in Busan, Korea; † 26. Oktober 1989 in Salem, New Jersey): Pedersen war Forschungsleiter bei der Firma DuPont. Er beschäftigte sich mit Koordinationskomplexen mit organischen Liganden. In diesem Zusammenhang entdeckte er zufällig die bisher unbekannte Verbindungsklasse der Kronenether, die er in der Folge eingehend untersuchte. 1967 reichte er die Summe seiner Entdeckungen in einem 20 Seiten langen Artikel zur Veröffentlichung ein (C. J. Pedersen "Cyclic polyethers and their complexes with metal salts" J. Am. Chem. Soc. 1967, 89, 7017-7036). Der Artikel fand sofort weite Anerkennung.

Im selben Jahr wie der Artikel von Pedersen wurden auch Vorstellungen zum Wirkungsmechanismus von Valinomycin entwickelt (B. C. Pressman, E. J. Harris, W. S. Jagger, J. H. Johnson "Antibiotic-mediated transport of alkali ions across lipid barriers" Proc. Natl. Acad. Sci USA 1967, 58, 1949-1956.). Die Analogien zu den Eigenschaften der makrocyclischen Kronenethern wurde sofort erkannt. Es stellte sich die Frage, ob auch Eigenschaften anderer natürlicher Systeme durch strukturell einfachere synthetische imitiert werden können. Dadurch ergab sich eines der wichtigsten Ziele der Supramolekularen Chemie: die Verbesserung unseres Verständnissen biochemischer Vorgänge durch Untersuchungen von Modellsystemen.

Analoge Ziele verfolgt man die der Bioorganischen Chemie. Während in der Supramolekularen Chemie aber immer die molekulare Erkennung also nicht-kovalente Wechselwirkung von Verbindungen eine Rolle spielt, ist dies in der Bioorganischen Chemie nicht notwendigerweise der Fall.

Donald James Cram (* 22. April 1919 in Chester, Windsor County, Vermont; † 17. Juni 2001 in Palm Desert, Kalifornien): Cram war Professor an der University of California in Los Angeles. Er hat zum Gebiet der Supramolekularen Chemie zahlreiche fundamentale Beitrage geliefert.

Strukturen: Spheranden, Cavitanden, Carceranden u.a.

Konzepte: Vororganisation, Supramolekulare Katalyse, Constrictive Binding u.a.

Jean-Marie Lehn (* 30. September 1939 in Rosheim, Elsass): Im Jahre 1966 wurde Lehn Assistenzprofessor und 1970 Professor für Chemie an der Louis Pasteur Universität Straßburg; seit 1979 ist er zusätzlich Professor für molekulare Wechselwirkungen am Collège de France in Paris. Die Beiträge von J.-M. Lehn in der Supramolekularen Chemie sind so zahlreich und reichen bis zum aktuellen Datum, dass die folgende Aufstellung bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Strukturen: Cryptanden, Helicate und andere supramolekulare Koordinationsverbindungen u.v.m.

Konzepte: Anionenerkennung, Selbstassoziation und Selbstorganisation, Membrantransport, Dynamische Kombinatorische Chemie, Dynamere u.a.

Historischer Überblick

1891Villiers beschreibt Cyclodextrinkomplexe
1893A. Werner begründet die Koordinationschemie
1894E. Fischer formuliert das Schlüssel-Schloss Prinzip
1906P. Ehrlich formuliert das Konzept eines Rezeptors
1937K. L. Wolf verwendet den Begriff Übermolekül zur Beschreibung des Dimers von Essigsäure
1939L. Pauling formuliert das Konzept der chemischen Bindung einschließlich der Wasserstoffbrückenbindung
1953J. Watson und F. Crick beschreiben die DNA als Doppelhelix
1967C. J. Pedersens Publikation über Kronenether erscheint
1969J.-M. Lehn beschreibt die ersten Cryptanden
1973D. A. Cram entwickelt Spheranden
1978J.-M. Lehn definiert die Supramolekulare Chemie
1987C. J. Pedersen, D. A. Cram und J.-M. Lehn erhalten den Nobelpreis für Chemie

Die Entwicklung des Fachgebiets

Die Graphik zeigt die Anzahl der Publikationen in der Chemie, in denen das Wort "supramolecular" im Titel oder als Keyword verwendet wird.

Literatur

Pro Jahr erscheinen mehr als 4000 Publikationen in diesem Fachgebiet (mehr als 10 pro Tag!), wobei diejenigen gar nicht mitgerechnet sind, in denen auf die Verwendung des Begriffes "supramolecular" verzichtet wird.

Einordnung der Supramolekularen Chemie in die Chemie nach Lehn

Fachgebiet

Lehn, J.-M. Supramolecular Chemistry - Concepts and Perspectives, VCH, Weinheim, 1995.

Für ein Verständnis der Supramolekularen Chemie ist ein Verständnis nicht-kovalenter intermolekularer Wechselwirkungen also unverzichtbar.

Beispiele für Fragestellungen

Fragestellungen

Letzte Änderung: 23-03-30. Email

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